Eine Toilettenwand vermischt sich mit dem Sternenhimmel

Geschrieben von Sören Lehmann

Sören ist studierter Betriebswirtschaftler, Journalist und leidenschaftlicher Triathlet. Von den Einschränkungen durch die Paruresis hatte er irgendwann genug. Jetzt arbeitet er daran, sie zu überwinden.

Ein Neuer im Paruresis Kosmos: Sörens schicksalhafter Moment

Irgendwann im Leben kommt man an einen Punkt, wo man sich denkt: „So kann es nicht weitergehen!“ Diese Einsicht kann von uns selbst heraus entstehen, oder durch ein schicksalhaftes Ereignis ausgelöst werden. Ich würde gern sagen, dass es bei mir Ersteres war. Doch das wäre gelogen. 2. August 2016. Das war mein schicksalhafter Moment. Völlig unverhofft, schrieb mir Johannes bezüglich eines kommenden Paruresis-Treffens in Berlin. Wir hatten wohl mal sporadisch im Paruresis Forum gechattet. Dort hatte ich mich jedoch schon längere Zeit nicht mehr angemeldet, geschweige denn mein Problem hinterfragt.

Kurzum: Ich hatte es ein weiteres Mal verdrängt. Wie so oft in den letzten Jahren. Im Nachhinein, davon bin ich fest überzeugt, war dieses Lebenszeichen von Johannes, einem Gleichgesinnten, ein Meilenstein, sozusagen mein schicksalhafter Moment.

Langjährige Fassaden endlich einreißen

Wenn nicht Johannes, wer schreibt hier eigentlich gerade?“, fragst Du dich jetzt vielleicht. Geboren in Potsdam, aufgewachsen in Spremberg, bin ich, Sören (bitte nicht „Sörn“), durch und durch ein Lausitzer Kind. Mittlerweile habe ich das berüchtigte siebenundzwanzigste Lebensjahr erreicht, erfolgreich meinen BWL-Master in der Tasche und liebe Triathlon, Bloggen sowie gutes Essen. Charaktereigenschaften gibt man sich selbst ungern, deshalb werfe ich ein paar Schlagworte ein, die ich hier und da von anderen nachgesagt bekommen habe: hilfsbereit, etwas tollpatschig, introvertiert, verständnisvoll, loyal, diszipliniert, sympathisch, lebenslustig, verrückt. Gerade letztere Eigenschaften zeichnen doch eigentlich ein Bild eines aufgeweckten, ausgeglichenen Menschen. Sollte man meinen.

Doch wie Fassaden Häuser vor Wetterschäden bewahren, schützen wir uns im Alltag oft vor Meinungen anderer – wir ziehen eine Fassade auf. Ich habe viele Jahre auf Partys von Familie und Freunden nach außen hin auf „alles cool“ getan, zuhause jedoch, in den eigenen vier Wänden, mich der Traurigkeit, Lethargie und Verzweiflung meiner Paruresis hingegeben. Es war definitiv nicht alles so cool, wie alle anderen dachten.

Keine Lust mein ganzes Leben über Toiletten nachdenken zu müssen

Zurück zu der Email von Johannes. Auf einmal sah ich mich wieder mit dem Problem konfrontiert. Hatte ich es über die letzten Monate während der Masterarbeit erfolgreich ausgeblendet. Mal wieder wie so oft vorgetäuscht, zur Geburtstagsrunde des besten Kumpels nicht zu können, oder für‘s Konzert keine Zeit zu haben. Aber du kennst das. Wir sind in solchem Ausreden wahre Meister, wenngleich genau das mitverantwortlich ist, weshalb wir diesem Angst-Kreislauf der Paruresis nicht entkommen.

Doch damit ist jetzt Schluss! Paruresis und ich, das ist eine Zwangsehe, die so nicht länger halten kann. Wir können noch so ambitionierte Business-Ziele haben oder große Visionen für unser Leben und mit der eigenen Familie ausmalen. Und dennoch bleiben diese Gedanken. Täglich. Gar Stündlich und mit großer Gewissheit bei jedem Toilettengang. Hast Du Dir schon mal ausgerechnet, wie oft Du in Deinem Leben auf Toilette pinkeln musst? Nein? Ich auch nicht. Ich werde es auch nicht tun. Weißt Du warum?

„Weil ich keine Lust mehr habe, täglich über Toiletten nachdenken zu müssen.“

Das ist doch Mumpitz. Völlig affig. Aber versteh‘ mich nicht falsch. Wir sitzen im gleichen Boot. Ich bin jetzt 27 und seit vielen Jahren Paruretiker. So ausgeschrieben klingt das für mich schon irgendwie hart. Aber egal. Ich habe den Entschluss gefasst, mich meiner Angst zu stellen.

Unsere Seite startet neu durch

Johannes‘ Email war mein auslösendes Moment, Paruresis nicht länger einfach so hinzunehmen. Mich bewusst dem Problem zu stellen, meine Gedanken zu hinterfragen, meinen Ängste zu stellen und auch den Mut aufzubringen, Hilfe zuzulassen. Mit fremden und Freunden sowie Bekannten darüber zu sprechen. Und ich möchte, dass Du auch das schaffst!

Ab sofort unterstütze ich WeMingo, indem ich hier gemeinsam mit Johannes über meine Erfahrungen und Erkenntnisse zur Paruresis berichte. Wenn du Fragen, Anregungen oder Kommentare zu den Themen auf dieser Seite haben solltest, kannst du uns gern anschreiben. Beispielsweise per Mail an johannes@wemingo.com oder via Nachricht auf Facebook.

Beste Grüße,

Sören

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